Wilhelmine Clauß-Szárvády (1834–1907)

Die in Prag geborene Deutschböhmin Wilhelmine Clauß studierte bei dem angesehenen Klavierpädagogen Josef Proksch und wurde von Karoline Unger-Sabatier gefördert. Clara und Robert Schumann hatten sie im August 1847 in Dresden kennengelernt, und Schumann notierte im Haushaltbuch: „die kleine Clauß aus Prag bei Clara – sehr talentvoll“. Clara ermöglichte ihr am 7. Februar 1850 im Leipziger Gewandhaus ein „gutes Debüt“, indem sie zu ihren Gunsten auf einen eigenen Auftritt verzichtete, und spielte in einer Soirée am 22. Februar 1850 mit Wilhelmine zusammen Schumanns Andante und Variationen op. 46.


Im Januar 1854 begegneten die Schumanns Wilhelmine Clauß, die seit 1852 in Paris lebte, in Hannover wieder. Bei dieser Gelegenheit wird sie einmal als „Störenfried“ bezeichnet, und es ist von Claras Unmut die Rede. Nichtsdestotrotz musizierte diese mit ihr und Joseph Joachim. Schumann bemerkt, daß ihr Vortrag von Kompositionen Stephen Hellers und einer Beethoven-Sonate ausgezeichnet gewesen sein und bezeichnet die reizvolle junge Künstlerin als „kleinen Anmuthteufel“. Claras Unmut kann wohl als Eifersucht gedeutet werden, denn bereits am 9. April 1853 hatte sie in ihrem Tagebuch vermerkt, daß Wilhelmine Clauß in Paris Triumphe mit Schumanns Klavierquintett feierte und schreibt weiter: „... ich war aber betrübt, daß sie es sein muß, die zuerst in Paris und London Roberts Sachen vorführt, während doch gewiß vor allen andern mir das zugekommen wäre!“

In der Tat ist es das Verdienst von Wilhelmine Clauß, als erste Schumanns Kompositionen im westlichen Ausland bekannt gemacht zu haben. Trotz dieser Eifersucht kam es zu weiteren Konzerten Clara Schumanns mit Wilhelmine Clauß, die 1855 in Paris den ungarischen Schriftsteller Frédéric Szárvády (1822–1882) geheiratet hatte.

Auf Claras 3. Paris-Reise traten beide gemeinsam auf, einmal in einer Soiree Claras, in der sie Mozarts D-Dur-Sonate für 2 Klaviere vortrugen, und einmal in der 2. Soirée musicale von Wilhelmine Clauß am 16. März 1863 in den Salons de Pleyel, in denen sie eine Auswahl aus Schumanns vierhändigen Klavierstücken op. 85 sowie wiederum das Andante und Variationen op. 46 spielten.

Zu einem letzten gemeinsamen Auftritt kam es am 26. Juni 1865 in Bad Kreuznach, wo erneut Schumanns op. 46 von beiden Pianistinnen interpretiert wurde. Am 10. November desselben Jahres 1865 sprang Clara Schumann dann in einem Konzert für Wilhelmine in Frankfurt ein. Beide wurden demzufolge als einander durchaus gleichrangig angesehen.

Dass Clara Schumanns Mißstimmung gegenüber der Kollegin nur vorübergehend gewesen war, beweist das kostbare Geschenk, das sie Wilhelmine Clauß-Szárvády machte: das Autograph von Schumanns Faschingsschwank aus Wien op. 26 (1.–3. Satz; heute im Robert-Schumann-Haus Zwickau). Wilhelmine erhielt es mit einer Widmung Claras während des Parisaufenthaltes im Jahr 1863.

(J.M.N.)