Robert Schumann op. 16

Kreisleriana. Phantasien für Klavier op.16

Nr. 1 Äußerst bewegt
Nr. 2 Sehr innig und nicht zu rasch
Nr. 3 Sehr aufgeregt
Nr. 4 Sehr langsam
Nr. 5 Sehr lebhaft
Nr. 6 Sehr langsam
Nr. 7 Sehr rasch
Nr. 8 Schnell und spielend

Gerade in seinen frühen Klavierwerken prägte Robert Schumann einige neue Bezeichnungen für das in der musikalischen Romantik so beliebte Genrestück. Charakteristisch sind in dem Zusammenhang literarische und musikalische Anspielungen sowie deutliche autobiographische Verbindungen. Außerordentlich eng korrespondieren die frühen Klavierwerke mit dem Verlauf der Beziehung zur noch jungen, aber bereits berühmten Pianistin Clara Wieck. Ohne die Einbindung ihrer Person lassen sich viele Kompositionen wohl kaum verstehen. Ein Jahr vor seiner lang ersehnten Hochzeit mit Clara schrieb Schumann seinem ehemaligen Lehrer Heinrich Dorn: „Gewiß mag von den Kämpfen, die mir Clara gekostet, manches in meiner Musik enthalten … sein. Das Concert [op.14], die Sonate [op.11], die Davidsbündlertänze, die Kreisleriana und die Novelletten hat sie beinah allein veranlaßt.“

Zwischen März und Mai 1838 wartete der Komponist wieder einmal ungeduldig auf Briefe Clara Wiecks, die sich auf einer höchst erfolgreichen Konzertreise in Wien befand. Ihr Vater, Friedrich Wieck, hatte jeglichen Kontakt zwischen den jungen Leuten untersagt. In dieser zwischen leidenschaftlicher Liebe und angstvollem Warten schwankenden Stimmung komponierte Schumann acht Fantasien, die er unter dem Titel Kreisleriana op. 16 noch im selben Jahr bei Haslinger in Wien drucken ließ. „… u. dann die Kreisleriana gemacht in vier Tagen – ganz neue Welthen thun sich mir auf“, steht Anfang Mai im Tagebuch, und „im Feuer componirt“. Die Sammlung op. 16 gehört sicherlich zu den inspiriertesten Klavierwerken Schumanns, aber auf Grund ihres eigenwilligen Charakters nicht unbedingt zu den eingängigsten. Die klassische Trennung von Melodie- und Begleitstimmen ist in op. 16 ganz aufgelöst, wodurch die strukturelle Konzeption verschleiert wird. Der Komponist selbst liebte diese Sammlung unter den 1838 entstandenen am meisten und nannte sie unter den „Clavierkompositionen, die ich für meine besten halte“ an erster Stelle. Er entwickelte einen engen geistigen Zusammenhang zu den Kinderszenen op. 15 und den Novelletten op. 21, die er in ein komplementäres Verhältnis setzte. Während die einen einer heiter-gelösten Grundstimmung entsprangen, sind die Stücke der Kreisleriana von eher düsterem, aber dennoch leidenschaftlich drängendem Charakter getragen. Schumanns diffuse Emotionen dieser Zeit und sein oftmals zerissenes Seelenleben spiegeln sich musikalisch wider. Nicht ohne Hintergedanken entstand wohl auch der Titel: Schumann entlehnte ihn dem Werk des romantischen Dichters E. T. A. Hoffmann. Die autobiographisch geprägte, fiktive Figur des genialischen Kapellmeisters Johannes Kreisler, von dessen exzentrischem Leben Hoffmann mehrfach erzählt, traf Schumanns Nerv für derlei gespaltene Charaktere auf das Beste.

Die acht Stücke der Kreisleriana sind unterschiedlich dimensioniert. Zusammengehalten werden sie trotz ihrer wechselvollen Charaktere und ihres farbigen Reichtums an rhythmischen und harmonischen Gestaltungsmöglichkeiten durch ein starkes thematisches Beziehungsgeflecht, das Schumanns Kunst des variierenden Umformens kleinster Motiv-Partikel zeigt. Clara Wieck, die den Stellenwert der Kreisleriana auf Anhieb erkannte und sie häufig spielte, sollte Widmungsträgerin des Werkes werden. Da sie, vermutlich unter dem Druck ihres Vaters, ablehnte, dedizierte Schumann sein op. 16 dem Pianisten und Komponisten Frédéric Chopin, dessen Klaviermusik er sehr schätzte.

(Irmgard Knechtges-Obrecht)