Robert Schumann op. 113

Robert Schumann

Märchenbilder. Vier Stücke für Klavier und Viola (Violine ad lib.) op. 113

I. Nicht schnell
II. Lebhaft
III. Rasch
IV. Langsam, mit melancholischen Ausdruck 

Das Komponieren von kammermusikalischen Stücken in freien Formen beginnt Schumann in ganz kleiner Besetzung, nämlich mit Duo-Kombinationen. Erst spät, und auch nur ein einziges Mal, stellt er in diesem Bereich drei Instrumente zusammen. Dem Genre entsprechend, geht er bei solchen Charakterstücken anders vor, als bei seinen Werken in zyklischer Sonatenform. Eine große Transparenz des Klangbildes sorgt zudem dafür, dass sich die musikalischen Strukturen gut erkennen und begreifen lassen. Schumann beweist gerade darin das breite Spektrum seiner kompositorischen Vielseitigkeit. Rein äußerlich fallen darüber hinaus die Wahl in diesem Bereich ungewöhnlicher Instrumente sowie eigenwillige formale Konzeptionen auf. Für seine ersten 1849 komponierten vier Duo-Kompositionen nimmt Schumann ̈C seiner gewohnten Systematik folgend ̈C diverse Blasinstrumente: Jeweils ein in der Literatur bisher vernachlässigtes Instrument stellt er in je einer Sammlung dem Klavier zur Seite, um so auf breiter Ebene die unterschiedlichsten Klangwirkungen und kompositorischen Techniken zu erkunden. Der Klarinette (op. 73) folgen das Horn (op. 70), das Violoncello (op. 102) und schließlich die Oboe (op. 94). Quasi als „Nachzügler“ wird 1851 noch die Viola (op. 113) bedacht.

Anfang März 1851 entstehen die Märchenbilder op. 113, die Schumann zunächst ganz unterschiedlich benennt. Die heute bekannte Bezeichnung erscheint erst auf dem Titelblatt der Druckfassung, hier optisch noch betont durch eine Vignette, die eine von Kindern umringte Märchenerzählerin darstellt. Bei ihrer frühesten Erwähnung im Haushaltbuch heißen die Stücke noch „Violageschichten“, einen Tag später schon „Mährchengeschichten“ oder auch nur „Mährchen“, nach ihrer Fertigstellung schließlich „Mährchenlieder“. Die frühe Bezugnahme auf das Märchenhafte zeigt, welche „erzählenden“, der menschlichen Stimme nahe kommenden Eigenschaften Schumann gerade der Viola zuschreibt. Eng verbunden sind diese Stücke mit den 1853 für drei Instrumente konzipierten Märchenerzählungen op. 132. Beide Sammlungen umfassen vier Sätze und verwenden die in diesem Zusammenhang selten anzutreffende Bratsche. Insbesondere op. 113 stellt eines der ganz wenigen Werke in der Musikgeschichte für Viola und Klavier dar, das nicht in Sonaten- oder Variationenform steht. Der „märchenhaften“ Attitüde wird durch einen fantasievoll erzählenden Gestus der Musik Rechnung getragen, wobei Schumann nicht auf konkrete Märchenstoffe Bezug nimmt. Eine ungekünstelte Schlichtheit und allgemeine Verständlichkeit stehen im Vordergrund. Der von Schumann so oft postulierte „Volkston“ wird auch hier aufgegriffen. Die einzelnen Stücke aus op. 113 weichen in ihrer Stimmung stark voneinander ab, besonders der Gegensatz zwischen der dramatisch geprägten Nr. 3 und dem wehmütig wirkenden letzten Stück fällt dabei auf. Zwei rasche, energische Sätze werden von zwei langsamen, melancholischen eingerahmt, die untereinander nur geringe motivische Querverbindungen aufweisen. Eine zyklische Verbundenheit wird dadurch höchstens im weitesten Sinne empfunden.

Schumanns erstem Biograf und Düsseldorfer Konzertmeister Wilhelm Joseph von Wasielewski sind die Märchenbilder op. 113 gewidmet. Ihm wurden ausgezeichnete Fähigkeiten im Violaspiel zugeschrieben. Sicherlich hat er daher in nicht unwesentlichem Maße die Komposition dieser Stücke veranlasst.

(Irmgard Knechtges-Obrecht)