Robert Schumann op. 1

Robert Schumann: Abegg-Variationen für Klavier F-Dur op. 1

Tema. Animato – Finale alla Fantasia. Vivace


Einer „Mademoiselle Pauline Comtesse d'Abegg“ dediziert Robert Schumann sein erstes gedrucktes Werk, die nach der Widmungsträgerin benannten Abegg-Variationen. Allerdings basiert diese Widmung auf einer effektvollen Übertreibung, die dem ohnehin schon wichtigen Opus 1 eine noch höhere Bedeutung verleihen sollte. „Sind Sie nicht über die Gräfin Pauline erschrocken, deren Vater ich allein bin?“, fragt er seinen Studienfreund Albert Theodor Töpken, aber „ich hatte zu dieser Mystification Gründe!“ Vermutlich geht der Name auf die bildhübsche, aber doch bürgerliche Kaufmannstochter Meta Abegg aus Mannheim zurück, die Schumann während seiner Heidelberger Studienzeit auf einem Ball kennenlernt. Die Art seiner persönlichen Beziehung zu der Dame bleibt durch die romantisch verschleiernde Widmungszuschrift im Ungewissen, Schumann gibt auch an keiner Stelle weitere Auskunft darüber. Überliefert ist nur, dass einer seiner Freunde Meta Abegg sehr verehrte. Für Schumann selbst scheint jedoch ausschlaggebend zu sein, dass alle fünf Buchstaben dieses Namens Tonbuchstaben verkörpern. Derartige musikalische Chiffren reizten ihn für seine Kompositionen häufiger.

Erste Pläne zu den Abegg-Variationen entwickelt Schumann im Winter 1829/30 in Heidelberg, im Sommer 1830 hat er das Werk ziemlich vollendet. Ursprünglich stellte er sich wahrscheinlich ein Variationenwerk für Klavier und Orchester nach dem Vorbild der Variationen op. 32 von Ignaz Moscheles über La Marche d'Alexandre vor, die er im Januar 1830 im Heidelberger Museumssaal aufgeführt hatte. Eine weitere Anregung könnte aber auch aus seiner Besprechung der Variationen op. 2 für Klavier und Orchester von Frédéric Chopin über Là ci darem la mano aus Mozarts Don Giovanni rühren, die Schumann als seine allererste Rezension im Sommer 1831 verfasste. Im Herbst 1831 schließlich bietet Schumann dem Verleger Friedrich Kistner in Leipzig voller Stolz sein Opus 1 für Klavier an mit der Bitte, dass diese „bis zum 18ten November, an welchem Tage der Geburtstag der Gr.[äfin] Abegg ist, der ich Verbindlichkeiten schuldig bin, erscheinen könnten“. Die Art der „Verbindlichkeiten“ bleibt dahin gestellt, jedenfalls erschienen die Abegg-Variationen wunschgemäß im November 1831 im Druck.

Auf zahlreichen musikalischen Gebieten hatte Schumann sich bereits betätigt, sein Können auch in komplexeren Gattungen (Kammermusik, Klavierkonzert, Sinfonie) versucht, die Drucklegung eines ersten Werkes jedoch hinausgezögert. Er war sich der Bedeutung dieses Meilensteins auf dem Karriereweg eines jeden Musikers durchaus bewusst. Ein knappes Jahrzehnt lang beschränkt er sich zunächst bei allem, was gedruckt an die Öffentlichkeit gelangt, auf reine Klaviermusik.

In seinen Abegg-Variationen nimmt er Stellung zwischen der tradierten Form einer Variationenreihe und dem Willen zur zyklischen Gestaltung, zwischen außermusikalischer Inspiration und „absoluter“ Musik, zwischen virtuosen Klängen und poetischer Tonsprache. Das „Thema“ erinnert an schubertsche Walzer und entspringt vollkommen der Atmosphäre des gesellig-heiteren Heidelberger Studentenlebens. Elegant werden die zugrundeliegenden Tonbuchstaben a-b-e-g-g in Oktavgängen umtanzt, zwar schlicht, aber dennoch auf kunstvolle Weise zum musikalischen Zentrum des folgenden Variationenwerks erhoben. Schumanns neues Prinzip des Variierens und sein Ringen mit dem überlieferten Modell bestimmen das musikalische Geschehen. Der sich ständig vollziehenden Wandlung und Umbildung des vorgegebenen thematischen Materials treten neue motivische Bildungen entgegen, oft überspielt von blendenden Figurationen voll perlender Leichtigkeit. Strukturell und ausdrucksmäßig führt jede Variation, obwohl bewusst graziös und zart gehalten, weit über das schlichte F-Dur-Thema hinaus.

Höhe- und Schlusspunkt gleichermaßen ist das glanzvolle „Finale alla Fantasia“, der ausgedehnteste Teil des Werkes. Hier versucht Schumann den Sprung aus der zyklisch gebundenen Kleingliedrigkeit zur größeren Form, an deren Ausprägung er zeitlebens arbeiten wird. Hoch virtuos ausgestattet, erklingt das Abegg-Thema ein letztes Mal, um dann verfremdet und gleichsam verwischt zu werden. Ungewöhnlich, unkonventionell bis bizarr lauten die Attribute mit denen die Musikkritiker Schumanns Erstlingswerk bedachten. Davon ließ er sich nicht beeindrucken und schritt unbeirrt auf seinem einmal eingeschlagenen neuen Weg weiter.

(Irmgard Knechtges-Obrecht)

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