Kreislers Spuren in der Musikgeschichte

Kreisler, Kater & Co


Sowohl die Erziehungsversuche seines Freundes scheitern, und auch die eigenen schmerzlichen Anstrengungen, aus den Kreisen, in denen er rastlos "kreiselt", freizukommen, bringen den Kapellmeister dem Wahnsinn nahe.

Und die Handlung wird auch formal zum Kreis - so belehrt uns das profunde Kindlersche Literaturlexikon über E.T.A. Hoffmanns verwirrende Mischung aus den Lebensansichten des Katers Murr, deren dessen Blättern - scheinbar zufällig - mit einer fragmentarischen Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler vermengt ist.

Kreislers Spuren in der Musikgeschichte
Aber noch vor diesem fantastischen Roman mit einigen seiner bizarrsten Figuren - egal ob zwei- oder vierbeinig - lässt der erfolgreiche Komponist E.T.A. Hoffmann, dessen wahre Genialität sich weniger in der melodischen Erfindungskraft, als durch das geschriebene Wort äußert, seinen ebenso genialischen Musiker Kreisler in einer Erzählung mit dem Titel "Kreisleriana" ins Licht der Literaturgeschichte treten.

Viele der Spuren, die dieser Kreisler dort hinterlassen hat, haben auch in der Musikgeschichte ihre kompositorische Entsprechung gefunden. Und zwar im Werk Robert Schumanns. Hauptsächlich, aber nicht nur im dem achtteiligen Zyklus fantastischer Balladen für Soloklavier. Vieles im Werk Schumanns wirkt wie eine musikalisch Realisierung der literarischen Kreativität E.T.A. Hoffmanns. Fast wünscht man, er hätte dessen "Erzählungen" vertont.
 
Kreislers "Goldberg"-Fantasien
Wenn Hoffmanns Johannes Kreisler vom Bach-Spiel auf Abwege gerät, geht es jedenfalls fantastisch zu:

Das Thema riss mich unaufhaltsam fort. Die Quartblätter dehnten sich plötzlich aus zu einem Riesenfolio, wo tausend Imitationen und Ausführungen jenes Themas geschrieben standen, die ich abspielen musste. Die Noten wurden lebendig und flimmerten und hüpften um mich her - elektrisches Feuer fuhr durch die Fingerspitzen in die Tasten - der Geist, von dem es ausströmte, überflügelte die Gedanken - der ganze Saal hing voll dichten Dufts, in dem die Kerzen düstrer und düstrer brannten - zuweilen sah eine Nase heraus, zuweilen ein paar Augen; aber sie verschwanden gleich wieder.

"Kreisler", der Fälscher
Aber auch weniger fiktive Musiker mit Namen Kreisler haben Spuren in der Musikgeschichte hinterlassen, wie etwa jener mit dem Vornamen Fritz. Das ist der Geiger mit den eleganten Salonstücken, der eine seltsame Karriere gemacht hat.

Zuerst hat er die Musikwelt mit seinem Geigenspiel bezirzt, dann hat er sie mit seinen Fälschungen genarrt, aber schließlich stand ja auch Michelangelo zu Beginn seiner Karriere im Ruf eines Fälschers.

"Liebesfreud" und "Liebesleid"
Fritz Kreisler jedenfalls hatte ihn zurecht. Er komponierte Stücke im Namen anderer und spielte sie so, dass sie Welterfolge wurden und von Kollegen nachgespielt wurden, die nicht wussten, dass sie eigentlich Kreisler spielten und nicht Tartini, Pugnani oder Couperin.

Sogar seine größten Erfolge wie "Liebesfreud" und "Liebesleid" hat er dem Publikum ursprünglich als Werke Joseph Lanners vorgestellt.

Selbstverständlich gab es einen Skandal, als sich Kreisler Jahrzehnte später zu den verleugneten Kindern seiner Muse bekannte, seine Fälschungen sozusagen öffentlich adoptierte. Immerhin mussten dadurch einige Kritiker zugeben, dass ihr stilistischer Spürsinn sie im Stich gelassen hatte.
 
Vom Violinvirtuosen zum Operettenkomponisten
Aus einigen, besonders melodiösen Kindern der Kreisler'schen Muse, machte der Geiger sogar erfolgreiche Operettennummern. Zunächst in "Apple Blossoms" - eine Broadway-Produktion mit den Geschwistern Astaire, die mit dem noch unbekannten George Gershwin am Klavier einstudiert wurde.

Dann schrieb er die Operette "Sissy", die mit Paula Wessely und Hans Jaray im Theater an der Wien uraufgeführt wurde. Erfolgreich war auch die zweite Besetzung mit Hedy Lamarre (damals noch Kiesler) als bayerische Elisabeth und Paul Henried (man kennt ihn als Mann Ingrid Bergmanns in "Casablanca") als Kaiser Franz Joseph.

Hollywood-Verfilmung
In der Hollywood-Verfilmung davon trat die Met-Sopranistin Grace Moore in der Regie von Joseph Sternberg als Sissy auf: "The King steps out". Sowohl Paula Wessey als auch Hans Jaray und Grace Moore haben mit Kreisler'schen Melodien einige Spuren in der Schallplattengeschichte hinterlassen.
Text: Christine Werba

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