Clara Wieck-Schumann – biographische Einführung Teil: 2

Clara Wieck wurde am 13. September 1819 in Leipzig als Tochter von Friedrich und Mariane Wieck geboren. Als sie fünf Jahre alt war, ließen sich die Eltern scheiden und Clara wurde von ihrer Mutter getrennt. Sie und ihre beiden Brüder Gustav und Alwin blieben in der Obhut des Vaters. Friedrich Wieck, Klavierpädagoge und Musikalien- und Klavierhändler, hatte den Namen „Clara“, das bedeutet „die Strahlende“, „die Berühmte“, nicht ohne Grund gewählt. Der Name wurde zum Programm seiner Erziehung. Mit fünf Jahren erhielt Clara den ersten Klavierunterricht. Der Vater wollte sie zu einer berühmten Klaviervirtuosin ausbilden, was ihm zweifellos gelang. Clara besuchte keine öffentliche Schule, sondern wurde von Privatlehrern unterrichtet. Friedrich Wieck legte Wert auf Sprachen (Englisch und Französisch), aber auch auf die körperliche Ausbildung: tägliches Spazierengehen war selbstverständlich – eine Angewohnheit, die Clara lebenslang beibehielt und auch ihren Kindern und Enkeln weitergab. Nachdem der Vater sie in privaten Kreisen in Dresden und Leipzig vorgestellt hatte, debütierte die 9jährige Clara in einem Konzert der Pianistin Caroline Perthaler am 28. Oktober 1828 im Leipziger Gewandhaus und gab 1830 ihre erste eigene „Akademie“. Die folgenden Jahre waren mit Unterricht (dazu gehörte auch Unterricht in Musiktheorie) ausgefüllt, bis Friedrich Wieck die erste Auslandsreise mit der Tochter wagte. Es galt, eine der entscheidenden Musikmetropolen des 19. Jahrhunderts zu erobern: Paris. Wollte man als Pianist anerkannt sein, so musste man in Paris, Wien und London erfolgreich sein. Der Weg in die Stadt an der Seine führte zunächst nach Weimar, wo Clara dem greisen Goethe zwei Mal vorspielen durfte, und von dort über Zwischenstationen nach Kassel. Hier zeigte sie dem ebenfalls beeindruckten Louis Spohr ihr Können. Wohlversehen mit Empfehlungsschreiben ging es weiter nach Paris, wo die Wiecks sich zwei Monate aufhielten und Clara in mehreren Soireen und einem eigenen Konzert auftrat. Sie freundete sich mit der Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient an und lernte Chopin kennen. Auch mit Mendelssohn Bartholdy, Hiller, Kalkbrenner, Pixis und Herz traf sie bei diesem Parisaufenthalt zusammen und freute sich besonders über die Wiederbegegnung mit Paganini.


Seit 1830 wohnte Robert Schumann im Hause Wieck. Er nahm bei Friedrich Wieck Klavierunterricht, studierte offiziell Jura und schwankte lange zwischen Literatur und Musik.
Bei der Instrumentation ihres (einzigen) Klavierkonzertes half Schumann der 15jährigen Clara, die das Finale des Konzertes bereits aus dem Manuskript auf einer fünfmonatigen Norddeutschlandtournee aufführte, die ihr Vater mit ihr im Winter 1834/35 unternahm.
Im November 1835 wurde das Konzert dann unter Felix Mendelssohn Bartholdys Leitung im Leipziger Gewandhaus uraufgeführt. Dies war die Zeit, in der sich die junge Clara allmählich ihrer wachsenden Zuneigung zu dem neun Jahre älteren Robert Schumann bewusst wurde. Dazu trug sicherlich dessen Verlöbnis zu Ernestine von Fricken bei, das Claras Eifersucht hervorrief. Robert Schumann löste denn diese Bindung auch wieder und war sich alsbald seiner tiefen Zuneigung zu Clara gewiss. Bis die Liebe zwischen beiden jedoch ihre Erfüllung finden konnte, mussten harte Kämpfe mit Friedrich Wieck bis hin zu einer gerichtlich erwirkten Heiratserlaubnis durchgestanden werden. Clara fand zeitweise Zuflucht bei ihrer Mutter Mariane, die seit 1825 mit ihrem zweiten Mann, dem Klavierlehrer Adolph Bargiel, in Berlin lebte. Zwar hatte der Kontakt zur Mutter über die Jahre fortbestanden, doch erst jetzt wurde er wieder enger. Robert Schumann verstand sich sehr gut mit Mariane Bargiel und besuchte seine Braut in Berlin.

Clara Wieck verbrachte ihr Leben bis zur Heirat auf Konzertreisen, mit Unterricht und eigenem Komponieren. Dass Klaviervirtuosen im frühen 19. Jahrhundert eigene Kompositionen aufführten, war selbstverständlich. Die Krönung ihrer Jugendkarriere war der Wienaufenthalt im Jahr 1838. Die Kaiserstadt geriet in ein wahres Clara-Wieck-Fieber, und der jungen Pianistin widerfuhr die große Ehre, zur Kaiserlich-königlichen Kammervirtuosin ernannt zu werden – eine große Ausnahme für eine Frau, Protestantin und Ausländerin!

1839 unternahm Clara ihre erste Konzertreise ohne den Vater – nach Paris. Sie wollte beweisen, dass sie auch ohne ihn bestehen konnte, wurde allerdings wegen der gerichtlichen Auseinandersetzungen von Robert früher als sie wollte zurückgerufen. Der künstlerische Erfolg der Reise lässt sich schwer beurteilen, für Claras persönliche Entwicklung war die zweite Parisreise von großer Bedeutung, denn sie brachte die endgültige Loslösung vom Vater und Hinwendung zu Robert – wohl die schwerste Entscheidung ihres Lebens. Friedrich Wieck griff jedoch, um die Heirat zu verhindern, zu solchen Mitteln wie Verleumdung, Verweigerung der Herausgabe des Vermögens wie auch von Claras Flügel, dass eine gütliche Einigung unmöglich war.

Nachdem Clara und Robert die Heiratserlaubnis des Appellationsgerichtes erhalten hatten, heiratete das Paar am 12. September 1840 in Schönefeld bei Leipzig. Hier verbrachten beide die ersten Ehejahre, in Leipzig kamen die Töchter Marie und Elise zur Welt. In der Wohnung Inselstraße 5 (jetzt 18) gingen viele Besucher aus und ein. Das Leben der Schumanns war mit Theater- und Konzertbesuchen, Empfang von privaten Besuchen, Spaziergängen und -fahrten und dem Familienleben wie natürlich Schumanns Komponieren und der Arbeit an seiner Neuen Zeitschrift für Musik ausgefüllt. Clara konzertierte auch nach ihrer Heirat, die Zeit zum eigenen Komponieren und Klavierüben war jedoch sehr knapp. Zum Komponieren ermutigte ihr Mann sie immer wieder und setzte sich auch für den Druck ihrer Werke ein.

1842 begleitete Robert Schumann seine Frau auf einer Tournee durch Nordwestdeutschland. Das Ehepaar trennte sich in Hamburg, da Clara weiter nach Kopenhagen zu Konzerten reiste und Robert zur kleinen Tochter Marie zurückkehrte – eine Entscheidung, die beide bereuten, denn Clara sehnte sich sehr nach Mann und Kind, obwohl sie von einigen Kopenhagener Familien auf Händen getragen wurde, und auch Robert seinerseits vermisste seine Frau.

1844 zog das Ehepaar von Leipzig nach Dresden um, da es hoffte, das als heilkräftig geltende Klima der Elbestadt würde für Schumanns Gesundheit zuträglich sein. Für Clara bedeutete die Zeit in Dresden, dass sie sich in erster Linie um ihren Mann kümmern musste und ihre eigene Karriere zurückstellte. Sie brachte vier weitere Kinder zur Welt (Julie, Emil, der ein Jahr nach der Geburt starb, Ludwig und Ferdinand), gab Klavierstunden, veranstaltete aber auch Konzerte und komponierte einige ihrer besten Werke. 1844 war auch das Jahr der großen gemeinsamen Russlandreise des Paares, die sie zu längeren Aufenthalten nach St. Petersburg und Moskau führte. Von Dresden aus brachen die Schumanns im Winter 1846/47 mit ihren beiden ältesten Töchtern zu einer gemeinsamen Wienreise auf, der sich eine Konzerttournee nach Berlin anschloss. Freundschaften entstanden vor allem zu den Malern Julius Hübner und Eduard Bendemann und ihren Frauen sowie dem Maler-Dichter Robert Reinick. Bekannt waren die Schumanns aber auch mit dem Bildhauer Ernst Rietschel (der das berühmte Doppelmedaillon des Ehepaars anfertigte). 1850 wurde Schumann als Musikdirektor nach Düsseldorf berufen. Im folgenden Jahr kam hier die jüngste Tochter, Eugenie, zur Welt.
In Düsseldorf lernte das Ehepaar 1853 den Geiger Joseph Joachim und seinen Freund, den jungen Komponisten und Pianisten Johannes Brahms kennen. Mit Joachim trat Clara Schumann während der kommenden Jahrzehnte häufig auf, aber auch mit seiner Frau Amalie, einer gefeierten Sängerin. In Düsseldorf hatte Clara in ihrer letzten gemeinsamen Wohnung mit Robert Schumann endlich auch ein eigenes Arbeitszimmer, in dem sie üben konnte, ohne ihren Mann zu stören. Clara konzertierte in Düsseldorf und den umliegenden Städten und unterstützte ihren Mann bei der Probenarbeit im Musikverein. Immer mehr zeigte sich dessen Überforderung durch das Dirigentenamt, und im Laufe des Jahres 1852 verschlechterte sich Schumanns Gesundheitszustand zusehends. Ende 1853 gab Schumann de facto seine Stellung auf und brach mit Clara zu einer Konzertreise nach Holland auf – diese wurde zu einem triumphalen Erfolg für beide: Schumanns Kompositionen wie Claras Interpretation wurden gleichermaßen bejubelt.

Im Februar 1854 beging Robert Schumann einen Selbstmordversuch und wurde auf eigenen Wunsch in die Heilanstalt des Dr. Richarz in Endenich bei Bonn eingeliefert. Im Juni 1854 brachte Clara das jüngste der Schumann-Kinder, Felix, zur Welt, den Sohn, den der Vater nicht mehr sehen sollte. Die Ärzte hielten Clara und die Kinder von dem Kranken fern. Um für den Unterhalt ihrer Familie zu sorgen und sich abzulenken, nahm die Pianistin ihre Konzerttätigkeit in vollem Umfang wieder auf. 1855 ging sie auf Tournee durch Holland und Pommern, 1856 erstmals nach England. Auf diesen Reisen sammelte sie Blumen für ihren Mann, die sie in einem „Blumenbuch für Robert“ presste (s. Literaturhinweise), das dieser jedoch nicht mehr zur Kenntnis nehmen konnte. Ihren Mann sah Clara Schumann erst kurz vor seinem Tod am 29. Juli 1856 wieder. Mit 37 Jahren war sie Witwe und musste für sich und ihre sieben Kinder sorgen. Clara Schumann bekannte in Briefen an Freundinnen, das Gefühl zu haben, nie wieder fröhlich sein zu können, und das Weihnachtsfest war für sie immer sehr schwer, weil es besonders die Erinnerung an ihren geliebten Mann hervorrief. Lebensstationen in den Jahren nach Schumanns Tod waren Berlin, Baden-Baden, das zum sommerlichen Mittelpunkt der Familie wurde, und ab 1873 erneut Berlin, wohin Clara mit den Töchtern Marie und Eugenie zog. Die Jahrzehnte nach 1856 waren für Clara Schumann in den Wintermonaten mit Konzerttourneen (oft begleitet von der Tochter Marie) ausgefüllt, die sie in verschiedene Länder Europas wie Holland, Belgien, die Schweiz, Österreich, Ungarn, das heutige Polen, 1864 noch einmal nach Russland und besonders oft nach England führten. Die Pianistin war ihre eigene Managerin und führte eine umfangreiche Geschäftkorrespondenz. Die Sommermonate dienten der Vorbereitung der Tourneen, der Erholung (oft in der Schweiz),
der Familie und dem Empfang von Besuchen. Clara Schumann pflegte ihre Freundschaften über Jahrzehnte.

1878 wurde Clara Schumann als erste und zu diesem Zeitpunkt einzige Frau am „Dr. Hoch’schen Konservatorium“ in Frankfurt/Main angestellt und wirkte hier bis 1892 als Lehrerin. Zu der berühmten Pianistin kamen Schüler und Schülerinnen aus England und Amerika und verschiedenen europäischen Ländern. Ihre Töchter assistierten ihr, denn sie selbst unterrichtete nur fortgeschrittene Schüler. Clara Schumann hatte das Glück, sowohl ihr 50- als auch ihr 60jähriges Bühnenjubiläum (1878 und 1888) zu feiern. 1889 verlieh Kaiser Wilhelm II. ihr die Große Medaille für Kunst. 1891 fand der letzte öffentliche Auftritt der Pianistin in Frankfurt am Main statt. Bereits 1888 war sie zum letzten Mal nach England gereist und hatte sich von ihrem Londoner Publikum, für das eine „season“ ohne Clara Schumann unvorstellbar war, verabschiedet. In den letzten Lebensjahren hatte Clara Schumann sowohl unter Rheumatismus als auch unter Schwerhörigkeit zu leiden. Dennoch spielte sie bis zuletzt in privatem Kreis Klavier.

In den Frankfurter Jahren war Clara Schumann auch als Herausgeberin der Werke ihres Mannes tätig. Einen intensiven Briefwechsel führte sie beispielsweise mit dem Leipziger Verleger Hermann Härtel (s. Literaturhinweise) über Probleme der Schumann-Gesamtausgabe, die sie ebenso mit Johannes Brahms, der an der Ausgabe mitarbeitete, verhandelte. 1886 gab Clara Schumann eine sogenannte „Instruktive Ausgabe“ der Klavierwerke Robert Schumanns heraus, in der sie in den Vortragsangaben ihre Interpretation festschrieb. Im selben Jahr erschienen die von Clara herausgegebenen „Jugendbriefe“ Robert Schumanns.

In ihrem persönlichen Leben musste Clara Schumann nicht nur den Verlust ihres über alles geliebten Mannes ertragen, sondern auch den Tod dreier Kinder: Julie starb 1872, Felix 1879, Ferdinand 1891, der Sohn Ludwig musste wegen unheilbarer Geisteskrankheit in eine Anstalt eingewiesen werden. Da der Sohn Ferdinand nach seiner Teilnahme am Krieg 1870/71 zum Morphinisten geworden war, übernahm Clara später auch die Verantwortung für seine sechs Kinder, für deren Unterhalt sie aufkam.

Clara Schumann starb am 20. Mai 1896 Clara Schumann nach einem zweiten Schlaganfall und wurde neben ihrem Mann in Bonn begraben.

Über Clara Schumanns Klavierspiel gibt es eine Reihe von Beschreibungen ihrer Schüler;
so äußert Laura Rappoldi-Kahrer, es sei „ganz gegen den Effekt, frei von jedweder Äußerlichkeit, einzig und allein der wahren Kunst dienend“ gewesen. (Laura Rappoldi-Kahrer, Memoiren, 1929) Die Instrumente, auf denen Clara Wieck-Schumann spielte, stammten von verschiedenen Klavierbaufirmen: In ihrer Jugend spielte sie vor allem auf Flügeln der Wiener Firmen Streicher, Graf oder Stein, Robert Schumann schenkte ihr zur Hochzeit ein Instrument von Breitkopf & Härtel. Später spielte die Pianistin Flügel der Firmen Klems in Düsseldorf, stöhnte über die schwergängigen Londoner Broadwoods und erhielt 1863 einen Flügel der Pariser Firma Erard zum Geschenk. Seit den 1870er Jahren bevorzugte sie Instrumente der Braunschweiger Firma Grotrian-Steinweg.

Clara Schumann prägte das Musikleben ihrer Zeit wie nur wenige andere Persönlichkeiten: Ihrem unermüdlichen Einsatz ist nicht zuletzt eine Veränderung in der Konzeption der Konzertprogramme zu danken: Von der Darbietung bloßer Virtuosenstücke verlagerte sich das Gewicht auf das Spiel anspruchsvoller Kompositionen von Bach, Beethoven, Mozart und Brahms.

Clara Schumanns Bedeutung liegt vor allem aber auch darin, dass sie das Publikum in ihren Konzerten mit Robert Schumanns Kompositionen vertraut machte, denen ihre große Liebe galt. Viele seiner Klavierwerke erlebten durch sie ihre Uraufführung, und insbesondere nach seinem Tod sah sie es als ihre „Mission“ an, seine Werke dem Publikum nahezubringen.

Ohne ihre Kunst, ohne die Musik, aber auch ohne ihre Selbstdisziplin und die Erziehung,
für die sie ihrem Vater zeitlebens dankbar war, wäre Clara Wieck-Schumann nicht imstande gewesen, ihr Leben mit allem Glück, aber auch allen Verlusten zu bestehen.

In einem Brief an Johannes Brahms aus dem Jahr 1868 sprach sie sich über die Bedeutung der Musik für ihr Leben aus, ein Satz, der als ihr Lebensmotto gelten kann: „Die Ausübung der Kunst ist ja ein grosses Teil meines Ichs, es ist mir die Luft, in der ich atme!“

(Julia M. Nauhaus)